Kinderfreundliche Verkehrsplanung

Basler Leitfaden «Auf Augenhöhe 1.20m»

5. September 2024

Der Basler Leitfaden «Auf Augenhöhe 1.20m» liefert Impulse für eine kindergerechte Gestaltung des öffentlichen Raums. Er sensibilisiert die zuständigen Behörden, die Perspektive von Kindern und Jugendlichen in der Verkehrsplanung zu berücksichtigen. Der Leitfaden gibt Tipps, welche Aspekte bei der Umsetzung von partizipativen Vorhaben mit Kindern und Jugendlichen zu beachten sind. Neu gibt es in Basel ein Partizipationsgesetz, das die Beteiligung der Quartierbevölkerung bei Vorhaben, die sie besonders betreffen, regelt.

Bildlegende: Kinderbüro Basel, 2021

Anna’s Problem

Anna macht einen vorsichtigen Schritt auf den Fussgängerstreifen, dann noch einen zweiten und einen dritten. Anna’s Problem: Sie weiss nicht, ob von links ein Auto heranfährt, denn sie sieht die Strasse nicht. Nein, Anna ist nicht blind und auch nicht abgelenkt. Sie ist neun Jahre alt, und der geparkte Lieferwagen neben dem Fussgängerstreifen versperrt ihr die Sicht auf die Strasse. Mit ihrer Körpergrösse von 1.20 Meter kann sie, im Unterschied zu den Erwachsenen, nicht über den Lieferwagen hinwegsehen.

Strassenräume werden von Erwachsenen und für Erwachsene gestaltet

Annas Problem ist, dass die meisten Strassen in der Schweiz immer noch von Erwachsenen und für Erwachsene gestaltet werden. Die Fähigkeiten und Bedürfnisse von Kindern werden dabei häufig nicht (ausreichend) mitgedacht. Dies schränkt die Mobilität der Kinder ein und führt im schlimmsten Fall zu akuten Gefährdungen. Mit Verkehrserziehung allein lässt sich das Manko nicht ausgleichen. Es braucht eine Verkehrsplanung, die unterschiedliche Perspektiven, Bedürfnisse und Fähigkeiten berücksichtigt - nicht nur, aber auch jene von Kindern und Jugendlichen.

Ein Leitfaden, der einen Perspektivenwechsel anregt

Mit dem Leitfaden «Auf Augenhöhe 1.20m» fordert die Kantons- und Stadtentwicklung Basel-Stadt (BS) die Mitarbeitenden der Verkehrs-, Raum- und Stadtplanung auf, in die Knie zu gehen. Nicht um den „silly walk“ von Monty Python nachzuahmen, sondern um die Perspektive zu wechseln und sich in die Lage von Kindern zu versetzen. Die Wände erscheinen aus diesem Blickwinkel dunkler, die Gehwege schmaler, das Trottoir höher und Distanzen weiter. Es zeigen sich auf dieser Augenhöhe plötzlich andere Sichthindernisse und Herausforderungen im Verkehr. Der Leitfaden soll Planende daran erinnern, dass Kinder den Strassenraum anders wahrnehmen und erleben und andere (Sicherheits-) Bedürfnisse als Erwachsene haben.

Link zum Leitfaden

Sensibilisierung als Schritt zur Partizipation

Sensibilisierung der Planenden ist wichtig, aber es ist erst der erste Schritt. Noch zielführender ist der Einbezug von Kindern und Jugendlichen bei der Planung und Gestaltung des Verkehrsraums, da Kinder und Jugendliche selbst am besten wissen, wo sie sich im Strassenraum wohl oder unwohl fühlen, wo Hindernisse bestehen und welche Lösungen Abhilfe schaffen können. Auf der Rückseite des Basler Leitfadens «Auf Augenhöhe 1.20m» zeigt eine Übersichtsgrafik auf, welche Aspekte bei der Umsetzung von partizipativen Vorhaben mit Kinder und Jugendlichen zu beachten sind.

Ein neues Partizipationsgesetz

Die Schaffung von Partizipationsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche ist nicht einfach eine Nebensache. Gemäss §55 der Kantonsverfassung Basel-Stadt soll die Quartierbevölkerung bei Vorhaben, die sie besonders betreffen, in den Meinungs- und Entscheidungsprozess der Behörden einbezogen werden. Dieser Grundsatz gilt auch für Kinder und Jugendliche. 2023 hat das Basler Parlament ein kantonales «Partizipationsgesetz» verabschiedet. Wie die Quartierbevölkerung im Rahmen der informellen Mitwirkung miteinbezogen wird, ist seither gesetzlich geregelt.

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